Natalie Huttarsch


Obwohl ich mit ganzem Herzen nach den Lehren der alten Rittmeister reite - wäre es gefehlt zu glauben, dass der Hauptteil meiner Arbeit aus der Beschäftigung mit Piaffen und Sprüngen besteht. Das ist nicht der Fall !!



In meinem Alltag sehe ich, dass die Bedürfnisse der Reiter oft viel bescheidener
sind :
Ein Pferd, das am Zügel, in leichter Anlehnung, in drei kontrollierten Grundgangarten geht, ist oft schon alles auf der Wunschliste.

Was für mich bereits selbstverständlich ist, bedeutet für viele Reiter einen unüberwindbaren Berg an Problemen. Das weist auf große Lücken rund um das Allgemeinwissen zum Pferd hin.

Die klassische Reitkunst wurde / wird ja Gott sei Dank wieder entdeckt -auch um das Pferd gesund und motiviert zu erhalten - aber leider hat jede positive Entwicklung Schattenseiten: Goldmedaillen, gutes Marketing oder iberische Pferde, sagen selten etwas über die Qualität der Reiterei aus !!


Kandare

Wer zbsp.scharfe Gebisse, Kandaren,
oder gar Schlaufzügel bei der Ausbildung braucht, hat nicht verstanden wie systematische Gymnastizierung das Pferd
an den Zügel bringt.


Die klassischen Seitengänge haben eine wichtige Funktion: sie sind unser Instrument der Ausbildung. In der Reitkunst werden die Seitengänge als versammelnde Lektionen benutzt. Das Erlernen der Seitengänge geschieht ohne Zwang und im Schritt. Das Pferd kann dadurch Hankenbeugung und Balance trainieren - der Reiter sein Gefühl für die Bewegung und die Schrittfolge des Pferdes.


Im vorbildlichen Vorwärts-Abwärts im Trab
Ein bedeutender Indikator ist auch die Stirn-Nasen-Linie des Pferdes.

Diese soll sich idealerweise eine Handbreit vor der Senkrechten befinden (wichtig aufgrund der Biomechanik) und maximal senkrecht sein. Das gilt für das tiefste Vorwärts-Abwärts, ebenso wie die höchste relative Aufrichtung. So steht es ebenfalls in den FN-Richtlinien.
(Siehe FN Richtlinien Band 1)



Relative Aufrichtung im Trab

Dehnungshaltung bis zum Buggelenk im Trab

Häufig gibt es Missverständnisse um das Thema Fleiß. Das hat zur Folge, dass ein überhöhtes Tempo als Fleiß empfunden wird. Ein schnell rennendes Pferd ist nicht gleich toll fleißig.

Hohes Tempo kann auch eine Form von Entziehen sein.

Fleiß bedeutet nicht rennen sondern, dass ein Pferd nach seinen individuellen Gebäude- und Gangmerkmalen möglichst weit unter den Schwerpunkt tritt oder schwingt, mit eigenem dafür nötigem Arbeitstempo.

Versammelter Galopp
Versammelter Galopp
Versammelter Galopp mt deutl. Durchschwung
Versammelter Galopp mit deutl. Durchschwung


Wer sich mit der Funktion der Muskulatur und Biomechanik auskennt weiß,
dass zu hohes Tempo genau das Gegenteil von Durchschwingen erzeugt,
nämlich - nachgewiesenermaßen - mehr Schieben!

Vielleicht sieht so ein Tritt z.B. im Trab dann länger aus, aber nur weil das Hinterbein nach hinten oben gezogen wird - also vom Schwerpunkt wegtritt!

Dieses Verheizen und viel zu kurze Aufwärmphasen sind sicherlich mit einer der Hauptgründe für die häufigen Verletzungen am Bewegungsapparat der Pferde. Ist die Muskulatur müde, erfüllt sie ihren Zweck als Stossdämpfer nicht mehr. Leider wird die tatsächliche Kraft der Pferde viel zu hoch eingeschätzt, da sie in der Größenrelation so viel stärker sind als wir. Die Reiter sind nicht in der Lage zu erkennen, wenn ihr Pferd ihnen sagt, das es nicht mehr kann. Wenn es trotzdem weiter läuft heißt das nicht, dass es noch Kraft hat!

Die Arbeit mit mir erfordert von den Reitern meistens ein Umdenken.

Gymnastizierung

bedeutet systematisch gezielter Aufbau der Muskeln, in Stellung und Biegung - sowie Förderung der Geschmeidigkeit, Symmetrie (Geraderichten) und der Hankenbeugung.


Ein Pferd ohne Stellung solange im Kreis laufen
zu lassen bis es müde wird ist keine gezielte Gymnastizierung sondern bestenfalls ein allgemeines Konditionstraining.



Versammelter Trab
Versammelter Trab

Bevor Balletttänzer Schwanensee tanzen, haben sie lange Jahre des Grundaufbaus hinter sich. Natürlich könnten auch wir - untrainiert - irgendwelche Sprünge auf Kosten von Sehnen, Bändern und Gelenken etc., mechanisch einüben, aber sie würden nie so voller Anmut und Leichtigkeit sein und lediglich eine eckige Farce hervorbringen.

Auch wenn ich über die Entwicklungen in der Turnierszene nicht glücklich bin, versuche ich dennoch eine Brücke zwischen klassischer Reitkunst und FN zu schlagen. Wenn man es genau nimmt, sind die Vorlagen für die FN Richtlinien, den Richtlinien (in Kurzform) aus der klassischen Reitkunst entnommen, diese Kurzform sollte Kavalleriepferde ausbilden. Das heißt auf gewisse Feinheiten wurde verzichtet aber die notwendigsten Richtlinien sind alle aufgeführt. Lediglich das Thema Leichtigkeit wurde in den 50ern zu Gunsten der stetig ansteigenden Zahl von überforderten Turnierreitern gestrichen.

Ich weiß, dass eine korrekte Auslegung und Handhabung der wesentlichen klassischen Leitsätze in der FN - auch im Ausbildungsalltag auf einem Reitschul- und Zuchtbetrieb - möglich ist. Die gesamte Bedeutung von Reiten-in-Stellung (Leichtigkeit), relative Aufrichtung, echte Versammlung und den Sinn der klassischen Seitengänge habe ich in Achselschwang von Herrn Wallner gelernt und dieser leistete nicht nur als Rittmeister und Züchter hervorragende Arbeit, sondern auch als FN-Richter.

Ich ermuntere alle, eigenständig nachzudenken und die Dinge zu hinterfragen.

Glänzendes Lametta kombiniert mit Reitstil sagt meist mehr über die Persönlichkeit eines Reiters aus als über sein Können. Bei Turnieren von den Anfängen bis Grand Prix werden zu 90 % unglückliche, strampelnde und verspannte Pferde gezeigt, die lediglich auf Grund ihrer hervorragenden Zucht noch Gang und Bewegung zeigen.

Aber auch wir Reiter sind gewissermaßen „Herdentiere“ und an der Harmonie der Gruppe orientiert. Da ist es natürlich nicht leicht in einem vielleicht engstirnigen Umfeld gegen den Strom zu schwimmen. Man sieht in vielen Ställen bemühte Reiter, die einen anderen Weg gehen wollen, sich aber durch Kollegen -deren Persönlichkeitsproblematik oft selbst erst aufgearbeitet werden müsste und deren gesamte fachliche Kompetenz allzu oft nur darin besteht, ein Pferd müde zu reiten - unter Druck gesetzt fühlen.

Deshalb möchte ich hier allen Mut machen, sich freundlich von Unwissen und Mittelmaß zu distanzieren: ihr seid auf dem richtigen Weg, auch wenn es mehr Zeit braucht um feines Reiten und Einfühlungsvermögen zu schulen und zu erlernen!

Die Geduld und Arbeit wird reich belohnt werden, das Wohl des Pferdes und der gewonnene Spaß an der feinen Reiterei sind alle Mühen wert !


KONTAKT: tel. 0049 (0)176 504 668 29  I e-mail: natalie@ars-equestris.com I impressum
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